Die Deutschen können das Holländisch der Flamen nicht, die Belgier kaum Englisch.
Aber mit Humor und viel Musik wollen die Lichtensteiner das Abenteuer schaukeln.
Freie Presse Mittwoch, 13. August 2014
VON UTA PASLER FOTO: ANDREAS KRETSCHEL
LICHTENSTEIN — Morgen gegen 22 Uhr setzt sich ein Doppelstockbus mit 57 Mitgliedern des Lichtensteiner Musikvereins in Richtung Belgien in Bewegung. Es ist die erste Tournee, die das Ensemble in das benachbarte Königreich führt, informiert Vereinssprecherin Karin Süß. Der Kontakt zum belgischen Orchester Mijlastraas Muziekorkest Koninklijk, beheimatet im belgischen Duffel, kam vor einem Jahr rein zufällig in Chemnitz zustande. Das belgische Orchester spielte just nach den Lichtensteinern auf der Rathausbühne beim Deutschen Musikfest 2013 in Chemnitz. „Vom Altersdurchschnitt und vom Repertoire her sind die uns recht ähnlich, jung und alt spielen Traditionelles und Modernes – da kam unser Klarinettist auf die Idee, mit den Belgiern Kontakt aufzunehmen“, erinnert sich Vereinschef Mario Müller. Dass die Verständigung zwischen Europäern nicht auf Anhieb mit dem englischen Vokabular klappte, verblüffte die Lichtensteiner zunächst. Doch davon ließen sie sich nicht abbringen. Mit Händen und Füßen und anfangs der Hilfe eines Dolmetschers machen sich die Vereine bekannt. Beide Ensemble waren begeistert von der Idee, etwas gemeinsam zu machen. In diesem Jahr nun reisen die Lichtensteiner nach Belgien, im kommenden Jahr ist ein Gegenbesuch geplant. Mittlerweile haben sie eine Deutsche gefunden, die schon lange in Belgien lebt und die Sprachbarrieren überwinden hilft. „Die Deutsche lebt schon so lange in Belgien, dass sie kaum noch Deutsch kann“, sagt Müller lachend. Ein Jahr lang währten die Vorbereitungen für die Tournee, zahlreiche E-Mails, Briefe und auch Noten schickte Vizevereinschefin Karin Hofmann zu den Nachbarn. Zwei von insgesamt vier Konzerten wollen die Vereine gemeinsam geben, dabei lernt jedes Ensemble ein Lied des anderen. „Wir haben den Belgiern den ‚Gruß an Lichtenstein‘ des Lichtensteiners Hans Bertram ge- schickt, sie uns den ‚Marsch der belgischen Fallschirmjäger‘.
„Die Deutsche lebt schon so lange in Belgien, dass sie kaum noch Deutsch kann.“ Mario Müller Vereinschef
Müller gibt zu, dass er zunächst die Luft angehalten hatte. Immerhin wird in diesen Tagen überall dem Beginn des Ersten Weltkrieges gedacht, bei dem die Deutschen in Belgien eingefallen sind. Durch kriegsverherrlichende Lieder wollten sie den Beginn dieser europäischen Freundschaft nicht gefährden. Mittlerweile ist aber klar, es ist ein Marsch, der leicht zu lernen ist und sich dafür eignet, ihn im großen Orchester zu spielen. Die Lichtensteiner hatten sich für einen Marsch entschieden, der alle Instrumentengruppen gleichermaßen fordert. Ob es gelingt, musikalisch die Brücke zu schlagen, erfahren sie bereits am Freitag bei der ersten und einzigen gemeinsamen Probe mit dem Partnerorchester. Samstagvor- mittag gibt es laut Vereinssprecherin Karin Süß das erste einstündige Konzert in Lier, am Abend ein zweistündiges Benefizkonzert. Auf dem am Sonntag stattfindenden Volksfest in Duffel wird der Musikverein am Nachmittag ein weiteres Konzert geben, und dann am Abend gemeinsam mit drei weiteren Orchestern der Region aufspielen. Die Lichtensteiner übernachten in Hostels. Um die Verpflegung müssen sie sich im Land, das als Erfnder der Pommes Frites gilt und für seine Pralinen bekannt ist, wohl keine Sorgen machen. Um das Land von Schauspieler Jean Claude van Damme und Fußballstar Daniel van Buyten, des Malers Vincent van Gogh und des Schlagzeugers Gotye besser kennezulernen, unternehmen die Lichtensteiner einige Ausflüge, in die Gegend von Flandern, zum Europaparlament nach Brüssel, auch Antwerpen wollen sie sich ansehen.
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